Montags-Interview: Husumer-Nachrichten-Revue und ihr „Dream Team“
Eine spannende Zeitreise
Husum – Rüdiger Otto
Christoff Bleidt ist seit 1994 Geschäftsführer und künstlerischer Leiter der Niederdeutschen Bühne Flensburg. Aus Anlaß des 125. Geburtstages der “Husumer Nachrichten" brachte der 42jährige, der in Frankrelch, München und Berlin Schauspiel studiert hat und seit 1983 als Regisseur arbeitet, eine imposante Zeitungsrevue auf die Bühne.
Wer hatte eigentlich die Idee, den 125. Geburtstag der Husumer Nachrichten" zu einem Bühnenereignis zu machen?
Bleldt: Soweit Ich weiß, gab es da bei der Zeitung schon gewisse Vorstellungen. Michael Reinhardt, Leiter der Flensburger Event-Agentur „Concept Entertainment", stellte dann den Kontakt zum Texter und Musiker Andreas Fahnert und zu mir her.
Warum haben Sie sich gerade für die Form einer Revue entschieden?
Bleidt: Wir haben sofort an eine Zeitreise gedacht. Der Begriff „Revue“ beinhaltet auch einen Rückblick.
Wie gingen die Recherchen vonstatten? Nach welchen Kriterien haben Sie aus der Fülle von von Informationen, die 125 Zeitungsjahrgänge enthalten, das Wesentliche herausgefiltert?
Bleidt: Das läuft eigentlich immer mehrgleisig. Da gibt es eine ungefähre Vorstellung vom großen Bogen. Doch interessant wird es, wenn es an die konkrete Umsetzung geht. Plötzlich stellt man fest, dass man doch zu oberflächlich über die Sache nachgedacht hat. Da tauchen unerwartete Aspekte auf. Und man muss sich die Freiheit erhalten, diese Aspekte aufzunehmen, auch wenn sie das Konzept vorübergehend kaputtmachen. Wenn ich schreibe, möchte ich dem, was da entsteht, immer gern ein Eigenleben lassen. Das braucht es, wenn es „wirklich“ sein soll. Wir haben viel Zeit im sh:z-Archiv verbracht und uns zuweilen wie auf einer Zeitreise gefühlt. Ausgesucht haben wir am Ende nach dem Gesichtspunkt der regionalen Bedeutung. Wir wollten Geschichte in Geschichten erzählen – Weltgeschichte in ihrer regionalen Wirklichkeit. Und natürlich haben wir dabei immer an die dramaturgische Wirkung gedacht.
War von Anfang an klar, daß Sie das Thema multimedial – also unter Einsatz unterschiedlichster Techniken und Stilmittel – vom Musical-Element bis zur Dia-Projektion angehen würden? Oder hat sich das erst im Verlauf der Inszenierungsarbeit ergeben?
Bleidt: Wir wußten von Anfang an, dass wir die Fülle an Informationen nur mit dem simultanen Einsatz verschiedener Mittel sinnfällig machen können. Das war vielleicht die schwierigste Aufgabe: unterhaltsam sein, den Zuschauer „hineinziehen“, also Geschichte auch von innen erlebbar zu machen, und gleichzeitig wahrhaftig sein, also keine Allgemeinplätze zu wiederholen. Musik, Bilder, Texte, Figuren und Sprache – zum Beispiel das Plattdeutsche – kommentieren sich gegenseitig, und daraus entstehen Reibungen, neue Aspekte. Das hat auch sehr viel Spaß gemacht.
Wie sind Sie an das nötige Revue-Personal gekommen?
Bleidt: Viele Kollegen und Freunde aus dem Umfeld des Orpheus-Ensembles, der Niederdeutschen Bühne, der norddeutschen Musikszene und von Prinz-Events ließen sich spontan für das Projekt begeistern. Für Einige war das eine ganz neue Erfahrung. Und dabei entstand ein Dream Team.
Hatten Sie zwischendurch irgendwann einmal das Gefühl, alles hinschmeißen zu wollen, weil nichts lief, wie es sollte?
Bleidt: Man hat natürlich Erschöpfungszustände. Aber so ist das ja immer. Wenn der Countdown läuft und regelmäßig neue kleine und große Katastrophen über einen hereinbrechen, dann gibt es eben nur eine Devise: Augen auf – nicht zu – und durch. Optimismus gehört zum Beruf des Regisseurs. Und der hat natürlich auch mal seine verzweifelte Stunde…
Was ist das für ein Gefühl, an einem Stück zu arbeiten, das zu jener Zeit, als es in Auftrag gegeben wurde, eigentlich nur eine einzige Aufführung erleben sollt?
Bleidt: Auch das ist Theateralltag. Das gehört zum Wesen des Theaters. Es läßt sich nicht konservieren. Wo heute ein Feuer, ist morgen Asche. Dafür ist es auch an jedem Abend neu und einzigartig. Vielleicht liegt darin eine besondere Kraft. Aber natürlich kämpft man immer auch mit einer gewissen Frustration. Das kann man sich vorstellen. Allein in der letzten Produktionswoche wurden bis zu 19 Stunden täglich gearbeitet. Und dann ist sowas nach nur vier Stunden – wie im Rausch vorbei. Deshalb war die Begeisterung beiden 50 Mitarbeitern auch überwältigend, , als sh:z-Geschäftsführer Ulrich Gerhardt nach dem 20. November die Wiederaufführung versprach.
Was haben die Arbeiten an der Revue für Sie persönlich als Regisseur gebracht?
Bleidt: Ich habe schon eine Reihe ähnlicher Projekte gemacht, zum Beispiel für die Jahrtausendfeier der Stadt Potsdam. Es gehört zu den schönen Seiten in meinem Beruf, dass man sich immer wieder intensiv mit verschiedenen Themen beschäftigen darf, solche Reisen unternehmen kann. Die Begegnung mit dem Alltag der Geschichte bereichert, gibt einen neuen Blick auf all die kleinen, aber für den Menschen entscheidenden Aspekte. Aber die schönste Erfahrung war wohl die Zusammenarbeit mit diesem wunderbaren Team, das auch morgens um vier Uhr im Hotel noch zusammensaß, um Problemlösungen zu finden.